"Ich bin 32 Jahre alt und abseits des Bitcoin-Spaces promoviere ich an der Ruhr-Universität Bochum in Volkswirtschaftslehre und habe dort das Glück, mittlerweile in Teilen auch zum Thema Bitcoin forschen zu können."
Im Bitcoin-Space kennt man mich vor allem durch meine Marktanalysen aus der makroökonomischen und On-chain Perspektive, die ich auf Twitter und mittlerweile auch in meinem Newsletter Bitcoin Market Intelligence teile.
Die Rücksetzer in den vergangenen Wochen waren zumindest in der Form, wie sie aufgetreten sind, eher überraschend. Das FTX implodiert war schwer vorherzusagen. Insgesamt befindet sich der Markt zur Zeit in einer schwierigen Lage. Da ist es auch ganz natürlich, dass je länger der Preis niedrig bleibt, Unternehmen, die schlecht gewirtschaftet haben oder sogar betrügen, unter Druck kommen.
Auch wenn die jährliche Inflationsrate in den USA und mittlerweile in der Eurozone rückläufig ist, ist die Inflation weiterhin hoch. Das heißt, die Zentralbanken werden weiterhin auf die Bremse treten, selbst wenn sie das vielleicht etwas langsamer tun werden als in den letzten Monaten. In den USA und anderen Volkswirtschaften zeichnet sich für 2023 zudem eine Rezession ab. Während dies mittelfristig die Zentralbanken zum Umlenken bewegen könnte, ist das kurzfristig für die Finanzmärkte eher nicht positiv.
Ich sehe daher aktuell noch eine schwierige Zeit für Bitcoin in den nächsten Monaten. Der Preis wird sich wahrscheinlich weiterhin auf den jetzigen Preisniveaus bewegen, mit Ausschlägen nach oben und auch nach unten.
Positiv sehe ich vor allem die Entwicklung bei den Langzeitholdern. Beispielsweise ist der prozentuale Anteil der Bitcoin im Netzwerk, die mindestens nicht für ein Jahr bewegt wurden, trotz der jüngsten Ereignisse hoch und in der Tendenz über den langen Zeitraum ansteigend (aktuell bei circa 66,5%).
Zudem sehe ich auch die Entwicklung vom Lightning Netzwerk sowie der Hashrate als sehr positiv an. Auch wenn beide in den letzten Wochen etwas an Schwung verloren haben, haben sich beide im Bärenmarkt positiv entwickelt.
Mal abgesehen von Zahlen und Statistiken ist es aber die Entwicklung der Community, die mich sehr positiv stimmt und natürlich die Entwicklung der Follower des Coinfinity Twitter-Accounts. ;-)
In der Haut der Zentralbanker möchte ich ehrlich gesagt gerade nicht stecken. Insbesondere seit der Finanzkrise in 2008 haben sich Zentralbanken sehr stark in die Ecke manövriert. Niedrige Zinsen und Anleihenankaufprogramme haben nicht gerade dazu geführt, dass Staaten und Unternehmen solide haushalten. Jetzt heben die Zentralbanken gerade die Zinsen an um die Inflation zu bekämpfen. Zwar haben die Zentralbanken schon sehr stark die Zinsen angezogen ohne das etwas sichtbar gebrochen ist, aber mittel- bis langfristig sehe ich hier Probleme.
Staaten sowie Unternehmen, die abhängig vom “billigen” Geld geworden sind, müssen immer höhere Zinsen Zahlen bei der Neuaufnahme von Schulden, die im schlimmsten Fall auslaufende Anleihen ersetzen und damit steigt der Zinsdienst. Wie lange das gut geht ist schwer zu sagen, aber eine Rezession ist nicht unwahrscheinlich in 2023 und damit auch wieder Zinssenkungen. Ich sehe da langfristig wieder mehr Intervention und damit meine ich mehr Intervention als wir schon in den letzten Jahren gesehen haben. Dass die Zentralbanken hier nochmal die Kurve kriegen, sehe ich nicht.
Über Bitcoin habe ich das erste mal im Jahr 2012 oder 2013 gehört, es, wie so viele, aber damals als nutzlos abgetan. Richtig gepackt hat es mich dann Mitte 2017, wo ich einen Vortrag zum Thema Kryptowährungen gehört habe. Da hat es dann relativ schnell für mich klick gemacht. Zu der Zeit habe ich, wie viele andere, am Hypezyklus teilgenommen. Im darauffolgenden Bärenmarkt bin ich dann aber bei Bitcoin hängen geblieben, da ich hier die wirklichen Potentiale sehe, etwas Positives in der Welt zu bewegen.
Ich kann jedem nur empfehlen, sich mit dem Warum auseinanderzusetzen, das über den Preis hinausgeht. Lest Artikel, Bücher und hört Podcasts zu dem Thema. Auch wenn du erst seit kurzem mit Bitcoin beschäftigst, kann ich dir wärmstens ans Herz legen, zu einem der vielen Meetups in deiner Nähe zu gehen. Der Enthusiasmus dort ist ansteckend. Gerade jetzt im Bärenmarkt kann der Austausch Gold wert sein, insbesondere wenn man neu dabei ist.
Solange die Daten, die für die Analyse genutzt werden, anonymisiert sind, sehe ich da kein Problem. In erster Linie sehe ich hier eine interessante Datenquelle. Problematisch sind allerdings Unternehmen, die dann oft für Behörden, Transaktionen analysieren und mit einzelnen Personen verknüpfen. Da viele Nutzer ihre Bitcoin nicht peer-to-peer kaufen, sondern über Anbieter, die mit der eigenen Identität verknüpft sind, geht das auch relativ gut.
Auf der einen Seite kann man jetzt argumentieren, dass das gut ist, da Verbrechen einfacher aufgeklärt werden können. Allerdings macht es uns auch schnell zu gläsernen Nutzern. Da müssen wir nicht einmal vom Worst-Case Szenario ausgehen, dass ein Staat Bitcoin verbietet und mit den Daten Bürger verfolgt werden, es reicht schon ein Hack oder Leaks von Know-your-Customer-Daten die jemand nutzt um Angriffsziele zu identifizieren oder Infos über Wettbewerber zu bekommen.
Auch wenn wir gerade eher in die entgegengesetzte Richtung gehen, bewegt sich das Netzwerk, in meiner Idealvorstellung, langfristig in eine Richtung, über Privacy-Tools etc., in der On-chain Daten für Analysen nicht mehr brauchbar sind.
Was die Entwicklung von Bitcoin in den nächsten 10 Jahren angeht, bin ich sehr optimistisch. Allein in 2022 hat sich die deutschsprachige Community trotz Bärenmarkt rasant entwickelt, neue Kontakte wurden geknüpft und neue Projekte angestoßen. Vieles, was in 2022 entstanden ist, wird sich im nächsten Jahr sicher erst so richtig entfalten. Was hier passiert und passiert ist, war schon schwer vorherzusagen.
10 Jahre in die Zukunft macht es da nicht einfacher, eine Prognose abzugeben bei so dynamischen Entwicklungen. Grundsätzlich sehe ich mehr Länder nachziehen die Bitcoin als legales Zahlungsmittel implementieren wie El Salvador, insbesondere hier Entwicklungs- oder Schwellenländer, die instabile Währungen haben oder schon dollarisiert sind. Den größten Push sehe ich hier aber von unten, dass mehr und mehr Menschen sich bewusst für Bitcoin entscheiden.
Ob wir in 10 Jahren schon soweit sind, ist unmöglich zu sagen, aber ich hoffe, dass Bitcoin dann schon als Korrektiv für Zentralbanken agiert. Bitcoin wird vermutlich Fiat-Währungen nicht komplett ersetzen und schon gar nicht in 10 Jahren, aber den Druck auf Zentralbanker erhöhen, bessere Geldpolitik zu betreiben, da immer die Gefahr besteht, dass Bürger sich abwenden.
Man kann wie gesagt gern meinen Newsletter abonnieren, auf Deutsch und auf Englisch, und mir auf Twitter folgen, wenn man möchte.
Die Coinfinity Bitcoin App ist da! Stay humble, stack sats.