Der Blocksize War: Als Bitcoin beinahe zerissen wurde - und stärker zurückkam

In diesem Beitrag sehen wir uns den Kampf um Bitcoins Blockgröße zwischen 2015 und 2017 nochmal genauer an. Welche Argumente sprachen für eine Speichererweiterung und welche dagegen? Und welche Rolle spielt der Hard Fork "Bitcoin Cash" heute noch?

„Consensus isn't an agreement — it's the absence of dissent.“ – Greg Maxwell

Zwischen 2015 und 2017 tobte im Bitcoin-Netzwerk ein Krieg - nicht mit Waffen, sondern mit Code, Argumenten, Diffamierungen und Forks. Der sogenannte „Blocksize War“ war kein technisches Streitgespräch unter Entwicklern, sondern ein fundamentaler Schlagabtausch um die Seele von Bitcoin.

Im Kern ging es um eine einfache Frage: Sollte Bitcoin durch eine Erhöhung der Blockgröße mehr Transaktionen pro Sekunde ermöglichen? Doch hinter dieser Frage verbarg sich ein tiefer Graben. Es ging um Macht, Zentralisierung, wirtschaftliche Interessen - und um die Grundprinzipien von Bitcoin selbst: Dezentralität, Zensurresistenz, Vertrauen in Code statt in Menschen.

Ausgangslage: Warum die Blockgröße überhaupt ein Thema war

Die Blockgröße von Bitcoin wurde von Satoshi Nakamoto etwa sechs Monate nach dem Start der Blockchain auf 1 MB begrenzt - ursprünglich als Schutz gegen Spam gedacht. Mit zunehmender Verbreitung stauten sich jedoch die Transaktionen im Netzwerk. Die Gebühren stiegen. Für viele war klar: Mehr Nutzer brauchen mehr Platz. Ergo: Die Blockgröße muss erhöht werden.

Andere widersprachen vehement: Größere Blöcke bedeuten größere Datenmengen. Wer eine eigene Full Node betreiben will, braucht mehr Speicher, schnellere Leitungen und leistungsfähigere Hardware. Das erhöht die Einstiegshürde - und gefährdet langfristig die Dezentralität des Bitcoin-Netzwerks.

Zwei Lager: Skalierung on-chain vs. off-chain

Auf der einen Seite standen Entwickler und Unternehmen, die Bitcoin zu einem globalen Zahlungsnetzwerk mit niedrigen Transaktionskosten machen wollten. Mehr Transaktionen direkt in der Blockchain - notfalls durch größere Blöcke. Auf der anderen Seite stand das Lager, das Bitcoin als globalen Settlement Layer sah. Günstige Zahlungen sollten durch Second-Layer-Technologien wie das Lightning-Netzwerk gewährleistet werden, nicht durch ein Aufblähen der Basisstruktur.

Die Debatte spaltete die Community - und eskalierte.

Eskalation: Politik statt Code

Einige einflussreiche Miner und Firmen wie Coinbase und Blockchain.com unterstützten „Bitcoin XT“, später „Bitcoin Classic“ und „Bitcoin Unlimited“ – Softwareversionen mit größeren Blöcken. Doch keiner dieser Vorschläge konnte sich durchsetzen. Die Community lehnte zentralisierte Entscheidungen ab. Stattdessen entstand SegWit: eine clevere Soft Fork, die zwar keine nominelle Erhöhung der Blockgröße brachte, aber den verfügbaren Speicherplatz effizienter nutzte und Second-Layer-Lösungen wie Lightning ermöglichte.

Die Diskussionen waren dabei oft alles andere als zivil. Auf der einen Seite wurden Nutzer, die größere Blöcke befürworteten, in Foren wie r/bitcoin gesperrt oder ihre Beiträge entfernt – mit der Begründung, sie würden Spam oder Propaganda verbreiten. Auf der anderen Seite entglitten auch den Verfechtern größerer Blöcke regelmäßig die Tonlagen. Persönliche Angriffe, gezielte Diffamierung von Core-Entwicklern und ein konfrontativer Umgang mit Andersdenkenden waren keine Ausnahme.

Statt technischer Konsensfindung wurde zunehmend Framing betrieben: „Small Blocker“ galten als innovationsfeindlich, „Big Blocker“ als zentralisierungsfreundlich – eine Polarisierung, die viele Stimmen in der Mitte verstummen ließ. Der Blocksize War war nicht nur ein Streit um Code, sondern auch ein Kampf um die öffentliche Meinung.

Der Wendepunkt: Der User Activated Soft Fork (UASF)

2017 wurde das Schlachtfeld neu vermessen. Die Community stellte sich gegen Miner und Unternehmen, die mit dem „New York Agreement“ SegWit nur unter der Bedingung einer Erhöhung der Blockgröße (SegWit2x) akzeptieren wollten. Doch viele Nutzer wollten keinen Deal auf dem Rücken der Dezentralität.

Die Antwort: BIP 148 - eine User Activated Soft Fork. Sollten die Miner SegWit nicht aktivieren, würden die Full Nodes diese Blöcke ab dem 1. August 2017 ablehnen. Ein Bluff? Vielleicht. Aber es hat funktioniert. Die Miner gaben nach. SegWit wurde aktiviert. SegWit2x - ein geplanter Hard Fork auf 2 MB - scheiterte im November 2017 am Widerstand der Community.

Der Split: Geburt von Bitcoin Cash

Doch nicht alle waren damit zufrieden. Am 1. August 2017 spaltete sich eine Gruppe ab – mit größeren Blöcken, niedrigeren Gebühren und dem Ziel, Bitcoin on-chain stärker für den täglichen Zahlungsverkehr nutzbar zu machen. So entstand Bitcoin Cash (BCH). Doch während BCH kurzfristig Marktanteile gewann, zeigte sich langfristig: Die ökonomischen, sicherheitstechnischen und sozialen Netzwerkeffekte blieben bei Bitcoin (BTC). Bitcoin Cash ist heute – trotz größerer Blöcke – weitgehend irrelevant.

Zahlen sprechen eine klare Sprache: Nach dem Hard Fork im August 2017 erhielt jeder BTC-Halter dieselbe Menge an BCH. Anfangs wurde Bitcoin Cash mit etwa 10–20 % des BTC-Preises gehandelt – doch das Verhältnis fiel schnell ab.

Heute (Stand: Mai 2025) liegt der Marktanteil von Bitcoin Cash bei unter 0,5 % der gesamten Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen. BTC hingegen behauptet seit Jahren einen dominanten Anteil von über 50 %. Auch in puncto Hashrate, Entwicklungstätigkeit und Transaktionsvolumen blieb Bitcoin (BTC) uneinholbar vorn. Die ökonomischen Netzwerkeffekte haben sich klar auf einer Seite verfestigt.

Fazit: Warum der Blocksize War bis heute relevant ist

Der Blocksize War war viel mehr als ein Streit über Parameter. Es war ein Reifeprozess. Bitcoin hat überlebt – nicht, weil alle einer Meinung waren, sondern weil es Mechanismen gibt, die Meinungsvielfalt in funktionierende Regeln überführen.

Die wichtigsten Lehren:

  • Code ist nicht neutral – technische Entscheidungen sind politische Entscheidungen.
  • Zensurresistenz beginnt in der Diskussion – wer Meinungen unterdrückt, gefährdet die Offenheit des Netzwerks.
  • Dezentralität ist unbequem – aber genau deshalb so wertvoll für ein globales Geldsystem

Bitcoin kam aus diesem Krieg nicht nur unversehrt, sondern gestärkt hervor. Das Netzwerk hat gezeigt, dass es sich gegen externe Einflussnahme wehren kann – auch wenn diese aus “den eigenen Reihen” kommt.

Oder wie es ein Kommentator später treffend formulierte:

„Bitcoin hat keinen CEO – und das hat es gerettet.“

Wenn dich dieses Thema interessiert, dann lies unbedingt auch unser Blink zu Was sind Bitcoin- Forks? und Was ist eine Node? – denn die Verteidigung von Bitcoin beginnt nicht im Code, sondern mit dem Verständnis der Nutzerinnen und Nutzer.

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