Value for Value – Liken, kommentieren, teilen, speichern & zahlen?

Was ist Journalismus heute überhaupt noch wert? Warum sind die Medien voll mit reißerischen Schlagzeilen und oberflächlichen Inhalten? Kann das Konzept von Value for Value in Verbindung mit Bitcoin den trüben Journalismus noch retten? Diesen Fragen geht die Journalistin, PR-Expertin und Vollblut-Bitcoinerin, Theresa Rehlingen-Prinz, in diesem Gastbeitrag auf den Grund.

Was ist Journalismus heute noch wert?

Der Fokus der Medien liegt vor allem auf Quantität und Entertainment. Der Übergang von Print zu Online führte Leser vor Paywalls, die Lesern nicht die Möglichkeit geben, sich für einen Artikel, der sie interessiert, zu bezahlen. Stattdessen wird der Leser vor die Entscheidung gestellt, ein monatliches Abonnement abzuschließen oder sich die Informationen woanders zu holen, zum Beispiel in gekürzter Version auf Social Media. Verschiedene Modelle fallen dabei auf: Manche Onlinezeitungen lassen Leser Artikel bis zu einem Wert von 5 EUR lesen, bevor diese zur Kasse gebeten werden. Andere lassen einige Artikel kostenfrei und setzen die Schranke nur vor Artikeln mit besonders interessanter Überschrift. Wieder andere, wie zum Beispiel RTL, inkludieren Zeitungsabonnements wie den „Stern“ in Video-Entertainmentangebote.

Journalisten konkurrieren nicht nur mit anderen Onlinezeitungen, sondern auch im Machtkampf um Aufmerksamkeit gegen jede andere Form von Content, insbesondere auf Social Media. Die Überschriften traditioneller Medien werden daher immer reißerischer, und die Inhalte immer oberflächlicher. Zu Zeiten hoher Print-Auflagen erinnere ich mich an Experten in Redaktionen, die über ihre jeweilige Expertise schrieben. Heute kommt es einem manchmal so vor, als würde der Journalist, der für Wirtschaft zuständig ist, auch gleichzeitig über Energiethemen und Entertainment schreiben.  

Ich frage mich, was sich Medienkonzerne dabei denken, in einer sich immer individualisierenden Welt Bezahlschranken für wöchentliche oder monatliche Zeitungsabonnements zu implementieren. Die Mode- und die Automobilindustrie sind Branchen, die deutlich früher verstanden haben, wie wichtig es ist, auf das Individuum einzugehen und damit die Bedürfnisse unseres Zeitgeistes zu erfüllen. Sie bieten ihren Kunden maßgefertigte Lösungen an. Noch nie konnten Konsumenten so viele Informationen erhalten. Durch "Value for Value" (kurz V4V) könnte intensiver auf die Bedürfnisse von Lesern, Journalisten und digitalen Content Creators eingegangen werden.

Kann Value for Value den trüben Journalismus retten? 

Das Konzept V4V hat seine Wurzeln in verschiedenen wirtschaftlichen und philosophischen Grundsätzen, vor allem aber lässt es sich zur österreichischen Schule der Nationalökonomie zurückverfolgen, die die Bedeutung des freiwilligen Tauschs und der subjektiven Werttheorie betont. Die österreichische Schule, die insbesondere mit Ökonomen wie Carl Menger, Ludwig von Mises und Friedrich v. Hayek in Verbindung gebracht wird, hebt hervor, dass wirtschaftlicher Wert subjektiv ist und sich aus individuellen Präferenzen und Wahrnehmungen ergibt. Nach dieser Sichtweise ist der Wert eines Objekts oder einer Dienstleistung nicht inhärent, sondern wird von den Individuen auf Grundlage ihrer Bedürfnisse, Wünsche und ihrer Bereitschaft zum Handel bestimmt.

V4V liegt dem System der freien Marktwirtschaft zugrunde und verändert die bisherige Umgangsweise mit Informationen. Das Konzept stellt Creator in den Vordergrund. Leser können freiwillig Geld für wissenswerte Artikel zahlen.

Unter Podcastern und YouTubern hat das V4V-Konzept bereits vor längerer Zeit an Bedeutung gewonnen, da es die Möglichkeit bietet, auf traditionelle Monetarisierungsmodelle zu verzichten und direkt von seinem Publikum unterstützt zu werden. Der erste Podcaster, der V4V benutzt hat und für den Begriff bekannt geworden ist, ist Adam Curry. Dieser gilt auch als eine Schlüsselfigur in der Entstehung des Podcastings. 

 

Bitcoin enters the Game!

Das Lightning-Netzwerk ist eine Off-Chain-Lösung, die es Benutzern erlaubt, mit Bitcoin außerhalb der Bitcoin-Blockchain zu bezahlen und so Mikrozahlungen, Geld-Streaming, Finanzdienstleistungen und andere Anwendungen ermöglicht. Das Lightning-Netzwerk gilt heute als die vielversprechendste Skalierungslösung für Bitcoin und stellt die digitale Infrastruktur für V4V bereit. Um V4V zu nutzen, braucht man ein Wallet wie beispielsweise das Phoenix Wallet oder eine Browser-Extension wie Alby, dessen QR-Code oder Lightning-Adresse man dann in seiner Profil-Bio, in seinem Post oder am Ende seines Artikels verlinkt. Die Transaktion funktioniert ähnlich wie eine E-Mail. Der Unterschied liegt nur darin, dass die Informationen, die hier übertragen werden, monetärer Natur sind.

Alby Lightning Address Extension

Phoenix Wallet Lightning QR-Code

Einem Artikel der FAZ zufolge sind gerade die jüngeren Generationen, nicht abgeneigt für online Content zu zahlen. Mit V4V können Leser den Wert, den sie aus Inhalten bekommen, zurückgeben. Journalisten haben den Anreiz, qualitativ hochwertiger und freier zu schreiben. 

Bisher konnten Leser bei großen Medienhäusern nur auf neutrale Recherche und Geschichten hoffen. Neben der fehlenden Zeit für Recherche liegt das auch an Lobbyisten, PR-Managern, Medienanwälten sowie anderen Dritten, die über die letzten Jahrzehnte gute Kontakte zu Redaktionen und deren Journalisten aufgebaut haben und als indirekte Interessensvertreter versuchen, Einfluss auf Narrative zu nehmen. Wenn Leser Journalisten über das V4V-Prinzip direkt bezahlen könnten, würde es die Chance auf unabhängigen, qualitativen Journalismus deutlich erhöhen.

Social Media

Was Social Media angeht, ist es kein Geheimnis, dass Firmen Werbepartnerschaften mit Influencern auf Social-Media-Plattformen eingehen. Es lässt sich vielleicht sogar nachvollziehen, dass Influencer ohne ihnen bekannte Alternative, gut bezahlte Werbeverträge annehmen – unabhängig davon, ob sie wirklich hinter dem Produkt stehen. Follower geben ihnen zwar Reichweite, doch die Firmen zahlen ihren Unterhalt.

Die Zahlungsmacht einiger Firmen lässt wenig Raum für ehrliche Bewertung von Produkten oder Dienstleistungen. Es wird mehr darauf geachtet, authentisch herüberzukommen, als es zu sein. Ein gutes Beispiel dafür, dass User bereit sind, für Content zu zahlen, ist die beliebte Streaming-Plattform Twitch. Viele User schicken Streamern Geld über Paypal, Cashapp, per Karte oder mit der nativen Twitch-Währung, Bits. Im Dezember 2022 erhielt eine Streamerin umgerechnet mehr als 10.000 Euro in Bits.

Gründe für die Nutzung von Social Media - Quelle: hootsuite.com

Dieser Grafik zufolge suchen Menschen in Deutschland Nachrichten vermehrt auf Social Media. Bisher kann man dort liken, kommentieren, teilen und speichern. Was fehlt, ist die Spenden bzw. „Trinkgeld“-Option. Ob ein gut recherchierter Artikel oder ein Tipp einer Influencerin, der sich bewahrheitet hat – mit V4V können Menschen den Wert, den sie erhalten, zurückgeben. Ich glaube, dass wenn V4V der Standard im Journalismus und auf Social Media wäre, das Verhältnis zwischen Follower und Content Creator bzw. Journalist deutlich ehrlicher wäre. Journalisten und Creator jeder Art könnten sich auf ihre Leser und Follower fokussieren, anstatt auf die Strategie der Redaktions- oder Marketingleiter.

Mit dem Aufstieg digitaler Medien und der Verlagerung von Print zu Online-Plattformen haben die meisten traditionellen Medienunternehmen ihre Stellen und Gehälter radikal gekürzt. Bei der letzten Social Media Agentur, in der ich gearbeitet habe, bestand fast die Hälfte der Mitarbeiter aus ehemaligen Springer- und Burda-Journalisten, die heute statt Artikel Social Media Strategien und Posts schreiben.

Informationen sind nicht knapp, leicht zu kopieren, leicht zu verändern und wollen frei sein. Ich hoffe, dass sich das Value-for-Value-Modell weiterhin als praktikable Alternative zu Werbung, Zensur, Deplatforming und Demonetisierung durchsetzen wird.“ - Gigi, Software-Ingenieur und Bitcoiner.    

Das Ergebnis einer Studie von der Landesanstalt für Medien NRW, in der 6000 Menschen im Jahr 2019 befragt wurden, zeigte, dass über 75 Prozent davon überzeugt sind, dass es die Grundidee des Internets sei, kostenlos an Informationen zu gelangen. Intellectual Property, Patente, Paywalls etc. hindern uns daran, unser volles Potenzial auszunutzen, weil Informationen kontrolliert und vorenthalten werden. Das Teilen von Informationen und Zusammenarbeit hat historisch oft zu Ergebnissen geführt, die vorher nicht zu erreichen waren oder deutlich mehr Zeit gebraucht hätten. Unzählige wissenschaftliche Projekte, die bis von anderen hinzugegebenen Informationen nicht lösbar erschienen.

Value for Value und Social Media - Nostr

Ein erfolgreiches Beispiel für die Implementierung von V4V ist Nostr. Nostr steht für Notes and Other Stuff Transmitted by Relays. Es ist ein Open Source Protokoll für den dezentralen Transfer von Informationen und beschreibt sich selbst so: "Das einfachste offene Protokoll, das in der Lage ist, ein zensurresistentes globales "soziales" Netzwerk ein für alle Mal zu schaffen. Es verlässt sich nicht auf einen vertrauenswürdigen zentralen Server; daher ist es widerstandsfähig. Es basiert auf kryptografischen Schlüsseln und Signaturen; deswegen ist es manipulationssicher.

Mit Nostr kann man beliebige Anwendungen ("Clients") erstellen. Die ersten Clients, die sich durchgesetzt haben, sind Twitter-ähnliche Clients wie Damus, Primal und Amethyst. Über diese kann man Nostr als Social Media Plattform nutzen, in der man Content liken, kommentieren, teilen, speichern und vor allem Trinkgeld (Zaps genannt) geben kann. Man zappt Satoshis. Bitcoin kann in kleinere Untereinheiten unterteilt werden, deren kleinste Einheit ein Satoshi (“Sat”) ist. Ein Sat entspricht einem Hundertmillionstel (0,00000001) eines bitcoins.

Damus Client 2023

Informationen werden von "Relays" weitergeleitet, mit denen man sich verbinden kann. Die Daten werden über mehrere Relays gespeichert, d. h. es gibt keine zentrale Autorität, die Eigentümer der Daten ist. Wie man an Abbildung 3 erkennen kann, verzeichnet Nostr gegenwärtig mehr als 547k User, und es wurden bis jetzt Transaktionen von insgesamt ca. 13 Bitcoin gemacht. Das entspricht momentan ungefähr einem Wert von 348.592,53 EUR. 

Ein transparentes und sekundenaktuelles Board (Abb. Nostr Stats) bietet Neugierigen die Möglichkeit, Entwicklungen über https://primal.net/home nachzuverfolgen.

Nostr Stats, Quelle: primal.net

Value for Value kann Qualitätsjournalismus vorantreiben

Insgesamt eröffnet V4V vielversprechende Perspektiven für hochwertigen Journalismus und die Möglichkeit zur Monetarisierung jeglicher Online-Inhalte. Obwohl die Entlohnung in Satoshis zunächst ungewohnt erscheinen mag, sehe ich darin langfristig eine große Chance. Warum Bitcoin langfristig im Wert steigen wird und warum es als guter Wertspeicher dient, würde einen eigenen Artikel füllen. Die Bezahlung und der steigende Zeitdruck im Journalismus sollten ausreichend Motivation bieten, einem Modell wie V4V eine Chance zu geben.

Es scheint bisher so, als würde die Angst, nicht für etwas gewürdigt oder bezahlt zu werden oder etwas weggenommen zu bekommen, durch historische Erfahrungen tief in uns stecken. Wir haben digital versucht, die gleichen Mauern aufzubauen, die wir in der physischen Realität geschaffen haben. Das, obwohl sich offener Informationsaustausch und Zusammenarbeit in der Vergangenheit schon oft bewiesen haben. V4V kann diese Mauern brechen.

Creator mit einer digitalen Währung für ihre digitalen Inhalte zu zahlen, entspricht unserem Zeitgeist. Heute brauchen wir Experten mehr als je zuvor, da das Internet von Fake News und selbsternannten Experten überflutet wird. Menschen haben durch V4V die Möglichkeit, unabhängigen Journalismus zu finanzieren, was dazu führt, dass dieser sich wieder lohnt. Natürlich würde die Implementierung von V4V für den Journalismus infrastrukturelle Veränderung bedeuten.

Innovation stellt uns immer vor die Entscheidung, wie bisher weiterzumachen oder Neues zu wagen und unser Potenzial voll auszuschöpfen. Ich glaube, es wären deutlich mehr Leute bereit, Geld für Artikel auszugeben, wenn sie eine freiwillige Alternative zu Abonnements hätten. V4V kann die Lösung auf der Suche nach qualitativem Journalismus sein.

Theresa Rehlingen-Prinz

Disclaimer: Die in den Gastbeiträgen geäußerten Ansichten und Informationen sollten nicht als finanzielle Beratung interpretiert werden. Es ist wichtig zu beachten, dass Coinfinity nicht zwangsläufig die gleichen Positionen und Auffassungen wie in den hier bereitgestellten Inhalten vertritt.