Warum wird alles immer teurer? Warum steigen die Lebenshaltungskosten, die Mieten, die Lebensmittelpreise, die Reisekosten? Sind steigende Preise Anzeichen einer fortschrittlichen Gesellschaft? Woher weiß man, wie viel man sparen muss, damit man im Alter oder in einer Krisensituation genug auf der Seite hat? Wie kann man trotz der Umstände zu mehr Sicherheit und einer besseren finanziellen Situation gelangen?
Sollten die Preise aufgrund des technischen Fortschritts nicht sinken oder zumindest gleich bleiben? Wie würde eine Welt aussehen, in der die Preise langfristig sinken? Sollte Sparen nicht für mehr Sicherheit statt Unsicherheit sorgen? Gehen wir der Sache im Folgenden auf den Grund.
Wenn wir über Inflation und Deflation reden, so gibt es unterschiedliche Definitionen und Ursachen. Zum einen sprechen wir bei einer sich ausdehnenden Geldmenge von Inflation und bei einer zurückgehenden Geldmenge von Deflation. Anstatt dass wir die Geldmenge beschreiben, können wir uns jedoch ebenso über das Preisniveau Gedanken machen. Wenn dies steigt, so reden wir umgangssprachlich von Inflation, wenn dies sinkt, so reden wir von Deflation.
Die Wirtschaftstheorie der Österreichischen Schule unterscheidet strikt zwischen den monetären Phänomenen der Geldmengenveränderung und den Effekten der Produktivitätsveränderungen.
Bevor wir uns die gängige Kritik an der Deflation anschauen, betrachten wir die Effekte der Inflation. Die Ausweitung der Geldmenge bewirkt Umverteilungseffekte. Wer die neuen Geldeinheiten zuerst bekommt, profitiert am meisten, denn die Marktpreise befinden sich noch auf einem Niveau, welches sich durch die vorherige Geldmenge eingestellt hat. Die Knappheit der Ressourcen wird allerdings durch eine Ausweitung der Geldmenge nicht verändert und somit entsteht auch kein neuer Wohlstand, sondern es kommt lediglich zu einer Umverteilung des bisherigen Wohlstands.
Steigende Preise müssen jedoch nicht nur eine Ausweitung der Geldmenge als Ursache haben, denn steigende Preise können auch das Ergebnis einer höheren Nachfrage oder einer geringeren Produktion und somit einer Angebotsverknappung sein. Gründe für starke Preissteigerungen können zum Beispiel Hypes, Naturkatastrophen, Missernten, kriegerische Auseinandersetzungen oder gesellschaftliche Disruptionen sein. Die dadurch entstehenden hohen Preise geben den Unternehmern und Produzenten das Signal mehr zu produzieren, da es Gewinnmöglichkeiten gibt. Durch eine Steigerung der Produktion können die Bedürfnisse von mehr Menschen befriedigt werden. Preise und ein funktionierendes Geldsystem sind die Grundlage für funktionierende Regelkreise und für die dynamischen Anpassungsprozesse in unserer Gesellschaft.
Unter einigen Ökonomen wird diskutiert, dass die Deflation viel schlimmer sei, als die Inflation. Was sind die Effekte einer knappen Geldmenge und sinkender Preise?
Eine knappe Geldmenge hat zur Folge, dass es nicht mehr zu einer Umverteilung des Vermögens auf Kosten der Letztempfänger kommt. Dies hat zudem den Vorteil, dass sich die Preise der Produkte und Dienstleistungen nicht durch die Geldmenge verändern, sondern nur noch durch das Angebot und die Nachfrage der Menschen. Die Unternehmer und Produzenten erhalten genauere Signale, wo sich eine Investition lohnen könnte, oder nicht. Die Produktionsprozesse können sich dynamischer und effektiver den Bedürfnissen der Menschen anpassen und der Wohlstand und die Zufriedenheit der Gesellschaft steigt.
Aufgrund des ständigen Wettbewerbs der Unternehmen sind diese darum bemüht, die Kosten der Herstellung zu senken und die Produktivität zu erhöhen. In einem Wettbewerb geht es darum, wer den Kunden am besten bedienen kann. Als Belohnung winkt ein Gewinn. Diese Wettbewerbskräfte haben zur Folge, dass in Innovationen und Optimierungen investiert wird. Nicht selten kommt es dabei durch den Einsatz neuer Technologien zu sprungartigen Produktivitätssteigerungen, welche schlussendlich in günstigeren Preisen für den Endkunden münden.
Sinkende Preise haben für den Kunden offensichtliche Vorteile und für die Unternehmen senden sie das Signal, dass andere Projekte sich eventuell als lohnender herausstellen und ihre Ressourcen sich somit anderweitig profitabler einsetzen lassen. Sowohl steigende, als auch sinkende Preise sind für unternehmerisches Handeln wichtige Informationen und fördern Regelkreise für eine optimale Ressourcenzuteilung.
Andauernde Deflation aufgrund von technologischem Fortschritt ist ein Merkmal einer fortschrittlichen Gesellschaft, während ständige Inflation darauf hindeutet, dass eine Gesellschaft grundsätzlich etwas falsch macht - entweder durch Geldmengenausweitung oder durch stetig sinkende Produktivität.
Einige Ökonomen kritisieren die Deflation, weil sie die sogenannte Deflationsspirale befürchten. Laut diesen könnte sie entstehen, wenn die Menschen aufgrund sinkender Preise zunehmend weniger Geld ausgeben, da sich das Sparen aufgrund sinkender Preise immer mehr lohnt. Der Umsatz der Unternehmen würde dadurch zurückgehen und Arbeitslosigkeit aufgrund von Insolvenzen wäre die Folge.
Doch dies ist eine Einschätzung, welche die Regelkreise nicht berücksichtigt. Kein Mensch wird den Konsum ewig hinauszögern. Spätestens, wenn es darum geht, nicht zu verhungern, wird der Mensch seine Ersparnisse eintauschen wollen. Wenn die Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens keine Nachfrage mehr erfahren, dann ist dies das Ergebnis der freien Entscheidungen der Menschen. Die Existenz von Unternehmen ist kein Selbstzweck, sondern sie müssen den Menschen dienen, damit sie weiterhin bestehen bleiben. Die Nachfrage der Menschen ist somit ein ständiges Urteil über die Nützlichkeit der angebotenen Waren und Dienstleistungen. Gegen eine Gesellschaft, in der nur bedacht konsumiert wird und in der sich Sparen lohnt, ist ökonomisch nichts auszusetzen.
Aktuell leben wir in einem Kreditgeldsystem, welches darauf angewiesen ist, dass alle und insbesondere die Unternehmen ihre Kredite zurückzahlen. Dieses System ist zudem insgesamt auf eine steigende Geldmenge angewiesen, da die Zinsen für die Kredite bezahlt werden und irgendwo herkommen müssen. Ein Rückgang des Preisniveaus hat in einem Kreditgeldsystem die Folge, dass zunehmend Kredite aufgrund sinkender nominaler Umsätze und Gewinne ausfallen. Ein Kreditgeldsystem ähnelt somit einem Schneeballsystem, welches entweder zwanghaft immer weiter wachsen muss, oder in sich zusammenfällt. Die Ökonomen argumentieren somit gegen einen kurzfristigen Zusammenfall, aber für ein zwanghaftes Wachstum, weil sie dies kurzfristig für das geringere Übel halten. Kurzfristig ist das Beenden einer Pfadabhängigkeit natürlich schmerzhaft, doch ebenso endet die Fortführung der Kreditgeldmengenausweitung und die dadurch entstehenden Umverteilungen langfristig ebenfalls in einer schmerzhaften Situation.
Die Ökonomen wären gut darin beraten, wenn sie die beiden Optionen lediglich beschreiben würden, als dass sie Position für die Fortführung der Pfadabhängigkeit beziehen. Denn dadurch wird die Deflationsspirale im Kreditgeldsystem gegen die Umverteilung der Vermögen gegeneinander ausgespielt. Doch dabei wissen wir bereits, dass ein Kreditgeldsystem langfristig nicht bestehen kann.
Für das Individuum stellt sich daher die Frage, wie man sich vor den Umverteilungseffekten schützen und wie man bestmöglich in ein Geldsystem ohne Ausweitung der Geldmenge wechseln kann.
Jedes Individuum wird in ein Geld- und Wirtschaftssystem hineingeboren und hat durch sein Handeln die Möglichkeit seine Lebensumstände zu verbessern. Die eigene Weltsicht ist dabei grundlegend, da jede Entscheidung eine Konsequenz nach sich zieht. Damit das Individuum seinen Lebensstandard steigern kann, macht es Sinn die Welt aus einer Perspektive zu betrachten, die einem selbst langfristig nützt.
Sowohl Sparprozesse als auch die Produktivitätssteigerungen des technischen Fortschritts sollten die Lebenslagen der Individuen verbessern, denn der Wert einer Geldeinheit sollte dadurch erhalten werden oder sogar steigen.
Eine inflationäre Recheneinheit hat die Nachteile, dass die Preise stetig steigen und die Ersparnisse ständig an Wert verlieren. Das Individuum profitiert jedoch davon selbst eine Recheneinheit zu wählen, in der die Preise tendenziell sinken. Nur dadurch lohnt sich ein Sparprozess und der Wohlstand und die Zukunft gewinnen an Sicherheit. Durch die Wahl einer Recheneinheit, deren Geldmenge nicht beliebig vermehrt werden kann, kann sich das Individuum von einer Geldpolitik unabhängig machen und den Umverteilungseffekten der Inflation umgehen.
Die Wahl einer deflationären Sicht bzw. eines deflationären Systems bietet dem Individuum die Chance sein Leben selbst zu verbessern und die Abhängigkeit von äußeren Umständen zu verringern. Je mehr Menschen die Vorteile von Deflation verstehen und ihr Handeln danach ausrichten, desto mehr verändert sich das gesamte Wirtschaftssystem. Ein deflationäres Geldsystem stellt ein Schellingspunkt dar, da jedes lernwillige Individuum für sich selbst zu der Erkenntnis kommt, dass Deflation besser ist als Inflation.
Eine fortschrittliche Gesellschaft, welche aus eigenständigen und langfristig orientierten Menschen besteht, synchronisiert sich zwangsläufig um ein Geldsystem mit einer knappen Geldmenge und inflationäre Systeme verlieren zunehmend an Einfluss und Bedeutung.
Leo Mattes ist Technologiemanager und befasst sich intensiv mit den Themen Praxeologie, Deflation, Dezentralisierung und Bitcoin. Mit seinem Projekt FixYourMoney stellt er den Perspektivenwechsel von einer inflationären in eine deflationäre Welt dar.
Disclaimer: Die in den Gastbeiträgen geäußerten Ansichten und Informationen sollten nicht als finanzielle Beratung interpretiert werden. Es ist wichtig zu beachten, dass Coinfinity nicht zwangsläufig die gleichen Positionen und Auffassungen wie in den hier bereitgestellten Inhalten vertritt.