Es war ein gewöhnlicher Nachmittag in der Stadtbibliothek von San Francisco am 1. Oktober 2013. Plötzlich bricht ein lauter Streit zwischen zwei Männern aus. Während alle Anwesenden abgelenkt sind, nähert sich ein dritter Mann einem jungen Bibliotheksbesucher an seinem Laptop. Sekunden später wird Ross Ulbricht verhaftet, sein noch eingeschalteter Laptop beschlagnahmt. Was die anderen Bibliotheksbesucher nicht wissen: Sie haben gerade miterlebt, wie das FBI den Betreiber der damals weltweit größten Online-Handelsplattform im Darknet festnahm.
Ross Ulbricht wurde am 27. März 1984 in Austin, Texas geboren. Nach seinem Ingenieurstudium in Pennsylvania, das er 2009 abschloss, bereiste er verschiedene Teile der Welt. Der junge Absolvent wusste bereits früh, dass ein gewöhnlicher Angestelltenjob nicht seinem Lebensziel entsprechen würde.
In dieser Zeit beschäftigte sich Ulbricht intensiv mit der österreichischen Schule der Nationalökonomie, einer wirtschaftlichen Denkrichtung, die individuelle Freiheit und freie Märkte in den Mittelpunkt stellt. "Ich möchte die Wirtschaftstheorie als Mittel einsetzen, um die Ausübung von Zwang und Gewalt in der Menschheit zu beseitigen", schrieb er damals.
2011 verband Ulbricht zwei aufstrebende Technologien: Das Tor-Netzwerk, ein Werkzeug für Anonymität im Internet, und Bitcoin, ein noch sehr unbekanntes globales digitales Zahlungsnetzwerk, das ohne die Gegenwart einer Drittpartei funktioniert. Daraus entstand die Silk Road, ein Online-Marktplatz im Darknet. Ulbricht, der unter dem Pseudonym "Dread Pirate Roberts" agierte, setzte klare Grenzen: keine Waffen, keine Kinderpornografie, keine gefälschten Dokumente. Und so entwickelte sich die Plattform zum größten digitalen Marktplatz für illegale Substanzen.
Hier werden seine libertären Gedanken deutlich: Nach Ulbrichts Überzeugung sollte jeder Mensch das Recht haben, frei zu handeln, solange dabei niemandem Gewalt angedroht oder zugefügt wird. Für ihn war der Handel zwischen einwilligenden Erwachsenen ein gewaltfreier Akt, der keiner staatlichen Regulierung bedürfe. Die Silk Road war die technische Umsetzung dieser Philosophie.
Von 2011 bis 2013 erreichte Silk Road einen Umsatz von etwa 1,2 Milliarden US-Dollar. Bei jeder Transaktion erhielt die Plattform eine Provision von bis zu 10%.
Obwohl die Silk Road nur als Vermittlungsplattform fungierte und Ulbricht selbst keine illegalen Waren verkaufte, geriet sie schnell ins Visier der Behörden. Das FBI stufte den Betrieb als kriminell ein und startete eine der bis dahin größten Darknet-Ermittlungen. Der IRS Special Agent Gary Alford gelang schließlich der entscheidende Durchbruch: Bei einer Google-Suche nach "Silk Road.onion" stieß er auf einen frühen Bitcoin-Forum-Eintrag, in dem ein Nutzer namens "altoid" Werbung für die neue Plattform machte. In einem späteren Beitrag suchte derselbe Nutzer einen Bitcoin-Experten und hinterließ dafür eine E-Mail-Adresse: rossulbricht@gmail.com. Dieser Fund führte letztlich zur Identifizierung und Verhaftung von Ross Ulbricht.
Die Liste der Anklagepunkte war umfangreich: Geldwäsche, Computer-Hacking und der Betrieb einer kriminellen Organisation. Auch schwerwiegende Vorwürfe, wie die angebliche Beauftragung von Auftragsmorden, standen im Raum, diese wurden aber nie zur Anklage gebracht.
Die Ermittlungen waren jedoch von Beginn an von Ungereimtheiten geprägt. Die Methoden, mit denen die Ermittler den Server der Plattform in Island ausfindig machten, warfen verfassungsrechtliche Fragen auf. Der Whistleblower Edward Snowden vermutete später eine Beteiligung der NSA. Zudem wurden zwei FBI-Agenten, die an den Ermittlungen beteiligt waren, später selbst wegen Korruption und Unterschlagung von Bitcoin verurteilt.
Nach seiner Verhaftung wurde Ulbricht 2015 zu einer doppelten lebenslangen Haftstrafe plus 40 Jahre verurteilt. Seine Zeit verbrachte er in verschiedenen Hochsicherheitsgefängnissen, oft unter harten Bedingungen in der "Special Housing Unit" (SHU) – einer Isolationszelle, die unter Häftlingen als "das Loch" bekannt ist.
Seine längste Zeit in Isolation betrug dreieinhalb Monate. Selbst ein bei der Bitcoin-Konferenz 2021 in Miami abgespieltes Interview mit ihm führte zu einer Woche Isolationshaft.
Während seiner Haftzeit erhielt Ulbricht durchgehend Unterstützung von seiner Familie, insbesondere von seiner Mutter Lyn Ulbricht. Sie setzte sich unermüdlich für seine Freilassung ein und hielt seinen Fall in der Öffentlichkeit präsent. Eine große, weltweite Community engagierte sich ebenfalls für seine Freiheit.
Im Oktober 2022 richtete Ulbricht einen Brief an den damaligen Präsidenten Joe Biden, in dem er um Begnadigung bat. Er erklärte, dass er die Website nicht mit schlechten Absichten erschaffen habe, sondern lediglich seine libertären Überzeugungen umsetzen wollte. In dem Schreiben beteuerte er auch, dass er im Falle einer Freilassung nie wieder gegen Gesetze verstoßen würde. Präsident Biden reagierte jedoch nie auf diesen Brief.
Bei der Libertarian National Convention kündigte Donald Trump kürzlich an, Ross Ulbricht zu begnadigen. "Wenn Sie für mich stimmen, werde ich am ersten Tag die Strafe von Ross Ulbricht umwandeln", versprach er der versammelten Menge. Die gesamte Bitcoin-Community wartet nun also gespannt darauf, ob Trump sein Versprechen morgen einlöst.
Die Silk Road markierte einen entscheidenden Moment in der frühen Geschichte von Bitcoin. Zu einer Zeit, als der Bitcoin-Preis noch bei wenigen Dollar lag, demonstrierte die Plattform erstmals das Potential dieser neuen Technologie. Das tägliche Handelsvolumen auf Silk Road erreichte Millionenbeträge - ein bis dahin beispielloser Anwendungsfall für Bitcoin-Transaktionen.
Zum ersten Mal wurde Bitcoin in großem Umfang als Zahlungsmittel eingesetzt. Die Plattform zeigte die einzigartigen Eigenschaften dieser Technologie: Erlaubnisfreie Transaktionen ohne Intermediäre und zentrale Kontrolle. Diese grundlegenden Eigenschaften von Bitcoin prägen bis heute seine Entwicklung als globales, neutrales Zahlungsnetzwerk.
Die Geschichte von Silk Road zeigt, dass Technologien wie das Tor-Netzwerk und Bitcoin bestehende Strukturen umgehen können. Gesetze und Regulierungen allein können die Entwicklung und Nutzung solcher Technologien nicht verhindern. Diese Herausforderung wird auch in Zukunft Gesellschaft und Gesetzgeber beschäftigen.
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